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Hallo Herr Roggel,
Der Mauersegler -
Flugkünstler und Opas Lieblingsvogel
22. Juni 2005
Seit meiner Kindheit,
ich war damals vielleicht 8 Jahre alt, hatten wir in dem Haus in dem wir
wohnten, an der Rückseite des Hauses ein Nest mit Mauerseglern. Das
Haus steht immer noch in Freiburg im Breisgau, in der Egonstraße
Nr.28.
Es waren wohl
immer die gleichen Mauersegler- Familien.
Das war über dem Klosettfenster. Das Klosett war damals noch richtig
altmodisch und man mußte immer eine Treppe tiefer gehen um es zu
benutzen.
Das Mauerseglernest befand sich hinter dem Abfallrohr. Es war nur ein
schmale Öffnung von ca. 4 cm, wo die rein flitzten. Jahr für
Jahr, solange ich dort lebte und auch später, als ich meine Mutter
besuchte, es war immer das gleiche Erlebnis. Es war schon immer schön,
den Flugkünsten zuzusehen.
In das Nest fliegen sie nur während der Brutzeit, um ihre Jungen
fütterten. Sonst sind die immer in der Luft.
Es war damals
eine sehr schlechte Zeit für uns alle und wir mußten auch wegen
der großen Wohnungsnot ein Zimmer an andere Leute vermieten. So
auch an Herrn Schroth. So hieß damals unser Untermieter, so nannte
man ihn, weil er bei meine Eltern ein Zimmer gemietet hatte.
Eines Nachmittags
rief er ganz aufgeregt nach mir, weil sich ein Mauersegler an einem dünnen
Faden erhängt hatte. Ich lief eilig die Treppe herunter um nach dem
Mauersegler zu sehen. Da sah ich ihn schon regungslos an dem dünnen
Faden um den Hals hängen. Schnell rannte ich nach oben, um Vaters
Tapezierschere zu holen, schließlich mußte der Mauersegler
ja gerettet werden.
Bis dahin kamen immer wieder Mauersegler mit viel Geschrei angeflogen,
um den Faden durchzubeißen, was sie natürlich nicht schaffen
konnten - und am Himmel herrschte unter den Mauerseglern helle Aufregung
und das aufgeregte Geschrei: Sriiieh! Sriiieh! Sriiieh! war lauter und
heftiger als sonst. Das ist auch zu verstehen, weil die doch voller Sorge
um ihren Mauerseglerfreund waren.
Herr Schroth
war ein guter Helfer, ohne ihn hätte ich es nie geschafft, denn er
mußte mich kräftig festhalten, damit ich nicht abstürzen
konnte. So abgesichert, konnte ich den Faden durch durchschneiden. Dabei
hatte ich auch mächtig Angst, ich könnte herunterfallen.
Als ich den Mauersegler abschnitt, fiel der nach unten - und plötzlich
waren alle Mauersegler plötzlich weg. Es war es völlige Stille
am Himmel. Der
Mauersegler flog kopfüber und sich in der Luft überschlagend
nach unten auf einen aufgeschütteten Sandhaufen. Zum Glück war
der erst einige Tage alt und noch weich, so daß der Mauersegler
weich auf den Sandhaufen fiel und herunter kollern konnte.
Kein einziger
Mauersegler war weit und breit mehr zusehen und kein einziger Ton war
mehr zu hören. Es war, als ob alle Mauersegler in ihre Nester zurück
flogen, sich verdrückten, weil sie wegen ihrem verunglückten
Mauersegler- Freund traurig waren. Ich
rannte so schnell ich konnte die Treppen hinab, es waren 62 Stufen, und
in den Hof. Da lag er nun, reglos im Sand und ich war den Tränen
nahe.
Ich hob ihn
vorsichtig auf, untersuchte seine Flügel, um zu sehen ob auch ja
keiner gebrochen war.
Aber zum Glück waren beide Flügel gesund und das war auch mein
Glück, denn sonst hätte ich den Mauersegler töten müssen,
weil er sonst elend verhungert wäre oder er wäre wehrlose eine
Beute der herumstreunenden Katzen geworden. Da
lag er leblos nun in meiner Hand und was sollte ich nun tun?
Da kam mir die Idee, dem Mauersegler kräftig in die Nasenlöcher
zu blasen. Und siehe da, nach einigen Versuche spürte ich in dem
Mauersegler ein leichtes Zittern und Zucken. Das erste Lebenszeichen!
Plötzlich
machte er die Augen auf, aber er war noch nicht richtig munter und ließ
sofort wieder sein Köpfchen hängen. Der kam erst wieder richtig
zu sich, als ich die Treppen wieder hinauf stieg, zum obersten Treppenhausfenster.
Das war immerhin im vierten Stock. Ich konnte ihn streicheln und er zitterte
wohl vor Angst. Er konnte ja nicht wissen, daß ich es nur gut mit
ihm meinte. Aber ich froh, daß in ihn habe wiederbeleben können.
Weil die so
lange Flügel haben, können sie, wenn sie einmal auf dem Boden
sind, nicht mehr abheben, weil die langen Flügel auf dem Boden aufschlagen
und sie deshalb nicht mehr hoch kommen.
Also habe ich den Mauersegler, nachdem er sich einigermaßen erholt
hatte in die Luft geworfen.
Oh je! Der fiel ja einige Meter wie ein Stein nach unten und ich dachte
schon, daß er es nicht schaffen würde.
Aber plötzlich fing er an zu fliegen und ich hörte sein schrilles
und lautes Sriiieh! Sriiieh! Sriiieh und er flog davon. Und
siehe da, plötzlich wie aus heiterem Himmel, war wieder alles voll
mit den Mauerseglern und alle schrien wie wild ganz laut: Sriiieh! Sriiieh!
Sriiieh, so als ob sie sich freuten, daß ihr Artgenosse wieder unter
ihnen mit fliegen konnte. Es war wieder Freude am Himmel.
Seit diesem Tag,
das ist nun fast sechzig Jahre her, ist der Mauersegler mein Lieblingsvogel.
Jedes Frühjahr warte ich sehnlich auf seine Ankunft. Sie kommen über
nacht und eines morgens sind sie plötzlich auf einmal am Himmel.
Sriiieh! Sriiieh! Sriiieh!
Dann kann man
sie wieder beobachten wie sie fliegen, welche Paare zusammengehören,
und später die "Flugschulen", wenn die Alten ihrer Brut
das Figuren fliegen lernen, die mit ihren Sriiieh, Sriiieh! Sriiieh Gekreische
- wie im Kindergarten - hinter den alten her - und die Figuren nach fliegen.
Vielleicht drei Wochen später ist die Gruppe größer geworden
und anstelle von 2-3 Jungvögel fliegen 6-10 in diesem Kindergarten
mit, den "Fluglehrern" immer munter und voller Freude hinterher,
um das Fliegen im Verband zu trainieren.
Das ist wichtig für den Rückflug nach Afrika und nach Asien.
Da müssen sie Tausende von Kilometern fliegen.
Ende Juli sind die schon wieder weg. Und dann ist der Himmel auch für
mich wieder leer geworden.
Aber, der nächste Mai kommt bestimmt und mit ihm die vielleicht die
selben Mauersegler- Familie wieder.
Da warte ich schon wieder ganz neugierig und sehnsüchtig darauf,
bis ich die Mauersegler wieder fliegen sehe und dann fällt mir immer
diese Geschichte ein. Sriiieh! Sriiieh! Sriiieh!
(c) Willi A. Brombacher
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